Castello di Sanfrè
Höhen & Tiefen
Wenn auch nur spärlich, so existieren über den Ort Sanfré dennoch Dokumente, die bis in die Mitte des 11. Jahrhunderts zurückreichen. Danach nannte man ihn Castrum Synfredi, wohl abgeleitet aus „sinus frigidus“, der Aussage zu den kalten Lüften, die diese Gegend typischerweise umströmen. Nach Ansicht des Monsignore Francesco Agostino della Chiesa, einem römisch-katholischen Priester des 16. Jahrhunderts, gründet sich der Name allerdings nach dem Benediktinermönch Eufredo di San Benedetto, der unter den Sarazenen das Martyrium erlitt und dessen Leib unter Ehren nach Alba verbracht wurde.
Umberto I. di Savoia, der beherzt die Wiederbesiedlung des von den Sarazenen 100 Jahre zuvor entvölkerten Piemont vorantrieb, verschenkte den Grundbesitz von Sanfrè im Jahr 1098 an den Bischof von Asti. Zu dieser Zeit muss es bereits ein Castello di Sanfrè gegeben haben, denn im Jahr 1224 erhielt Bonifacio de Brayda, dem man das Lehen an Sanfrè einräumte, die Erlaubnis, anstelle des alten, ein neues Castello zu bauen. Allerdings etwas abseits der ursprünglichen Stelle. Das alte Castello di Sanfrè, so schließt man aus dem mittelalterlichen Ortskern, befand sich nämlich dort, wo später eine Kirche namens Chiesa della Santissima Trinità (erwähnt seit 1386) errichtet wurde.
Ende des 13. Jahrhunderts ging Sanfrè an die Isnardi de Castello, eine Bankiersfamilie aus Asti, deren antike Wurzeln nach Frankreich weisen.
Im 16. Jahrhundert heirateten Ludovico Isnardi di Sanfrè und Luisa di Savoia-Racconigi. Damit verband sich die wirtschaftliche Macht der Isnardi mit dem politischen Einfluss der Savoyer. Man nutzte diese Kraft und erweitere das Castello di Sanfrè. Dem mittelalterlichen Gebäudekern wurden mehrere Wohnflügel hinzugefügt und um einen Gesindetrakt und Stallungen ergänzt. Dazu wurde ein unterirdisches Eishaus angelegt, in dem man das während des Winters gesammelte natürliche Eis im Sommer zur Aufbewahrung von Lebensmitteln nutzte. Der Aushub dieser massigen Erdarbeiten fand bei der Anlage eines Terrassengartens Verwendung.
Im Zuge dieser Erweiterung erschuf man in Erwartung savoyischen Besuchs extra eine „camera ducale“ (herzogliches Zimmer). Diese Räumlichkeit versah man mit besonderer Stuckverzierung und einem aufwendigen Deckenfresko. In den 1960er Jahren beschädigte eindringendes Wasser nach einem Unwetter bedauerlicherweise diese wundervollen Schmuckwerke.
Im Jahr 1630, als in Turin die Pest tobte, weilte für mehrere Monate hoher Besuch auf Sanfrè:
Die Herzogin Maria Cristina di Francia, spätere Regentin des Hauses Savoyen, folgte einer Einladung von Carlo Isnardi di Caraglio, der unter den Savoyern als Kammerherr diente.
Mitte des 18. Jahrhunderts gönnte man sich eine eigene Kapelle. Die Bauweise der Kuppeln im Stil des piemontesischen Barock lassen die Hand von Bernardo Antonio Vittone erkennen, was allerdings nicht belegt ist. Dokumentiert ist hingegen, dass in der Kapelle am 04. September 1750 die erste heilige Messe gefeiert wurde. Leider hinterließen auch hier Wassereinbrüche nach Unwettern empfindliche Schäden an den kunstvollen Decken- und Wandmalereien.
Sanfrè darf sich einer weiteren Besonderheit rühmen: Der Turiner Physiker und Mathematiker Giovanni Battista Beccaria nutzte im 18. Jahrhundert in seinem Werk „Il Gradus Taurinensis“ den höchsten Turm des Castello di Sanfrè als trigonometrischen Punkt zur Berechnung der Länge des Meridians am 44. Breitengrad, der den Piemont durchzieht.
Mit dem Jahr 1770 erlosch die Linie der Isnardi und Sanfrè gelangte in die Hände der portugiesischen Familie De Souza. Durch sie erfolgten unbedachte Veräußerungen. Im Zuge dessen erlitt das Castello zwischen den 1920er und 1960er Jahren tragische Schäden. Zu dieser Zeit diente es den Consolata-Missionsschwestern als Ausbildungsstätte. Um es an deren Bedürfnisse anzupassen, wurde eigenmächtig und ungehemmt in die Bausubstanz des Komplexes eingriffen. Obenauf ging die wertvolle Möblierung verloren.
Den jetzigen Eigentümern aus der Linie der De Souza verdankt das Castello di Sanfrè das allmähliche Herausfinden aus dem Trauma seines Niederganges. Unter immensen Kraftanstrengungen wird man nicht müde, die Restaurierung dieses unbedingt erhaltenswerten Bauwerks zu meistern. In Abständen kann das Anwesen besichtigt werden. Sein Besuch lohnt sich vor allem wegen der unbeschreiblichen Fernsicht über den piemontesischen Teil der Oberitalienischen Tiefebene hin zu den Westalpen, klares Wetter vorausgesetzt.
Quellennachweis:
– Dizionario geografico-storico-statistico-commerciale degli stati di S.M. Il Re di Sardegna del Prof. Goffredo Casalis Vol. XVIII, Torino 1849
– Schede storico-territoriali del comuni del Piemonte, Comune Sanfré, Luisa Castellani 1996
Bildnachweis:
– https://accademiadellescienze.it/teca/TO0E000866_TO0324_PNI-889_000000
Steckbrief:
Castello di Sanfrè, Via delle Chiese 15, 12040 Sanfrè (CN)
www.castellosanfre.altervista.org
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